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Sachverständigen ablehnen

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 16. Februar 2010

Einen gerichtlichen Sachverständigen kann man ablehnen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die zu der Besorgnis führen können, dass er befangen ist.

Nach §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger nur aus dem Grund abgelehnt werden, aus dem auch ein Richter abgelehnt werden kann: Der Besorgnis der Befangenheit.

Diese Regelung, für das Zivilverfahren in §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO getroffen, gilt auch in anderen Verfahrensarten sinngemäß, z.B. im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 SGG.

Im finanzgerichtlichen Verfahren können nach § 88 FGO Sachverständige auch abgelehnt werden, wenn durch deren Hinzuziehung ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis verletzt würde oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu befürchten wäre.

Für die Besorgnis der Befangenheit genügt jede Tatsache, die auch ein nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Ob der Sachverständige tatsächlich voreingenommen ist, ist unerheblich (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 03.09.2009, Az. 4 W 373/09).

Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein Sachverständiger

  • bei Aufnahme und Auswertung des Sachverhaltes in für den Probanden auch bei objektiver Sicht der Dinge in wichtigen Punkten Fehler macht, die in starkem Maße auf mangelnde Sorgfalt deuten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.11.2009, Az. 14 W 43/09);
  • eine besondere berufliche Nähe zu einem Beteiligten aufweist, z.B. in einer Einrichtung eines Beteiligten tätig war, insbesondere, wenn er dies bei Annahme des Gutachterauftrags verschweigt (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 03.09.2009, Az. 4 W 373/09);
  • auf seiner Internetseite die Rechtsanwaltskanzlei eines beteiligten Prozessbevollmächtigten verlinkt (LG Kiel, Beschluss vom 24.02.2009, Az. 11 O 43/06);
  • in seiner Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch dessen im Kern zutreffende Begründung, er habe bereits zuvor im Auftrag der Antragsgegnerin mehrere Gutachten erstellt, als „abstrakte Lüge“ und „Verleumdung“ bezeichnet (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05.11.2008, Az. 12 W 41/08);
  • sich in dieser Sache bereits im Auftrag eines Beteiligten geäußert hat (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 09.09.2008, Az. L 1 B 187/08 U);
  • einen Beteiligten unsachlich angreift, ohne dass dies durch entsprechende unsachliche Angriffe auf den Sachverständigen provoziert worden ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.08.2008, Az. 9 W 39/08).

Besorgnis der Befangenheit besteht nicht, wenn ein Sachverständiger

  • und die Gegenpartei in beruflichen Beziehungen zu einem Dritten stehen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.01.2010, Az. 1 W 5/10);
  • Bediensteter einer Rentenversicherung ist und an dem Verfahren eine andere Rentenversicherung beteiligt ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.09.2009, Az. L 10 R 3976/09 B);
  • nicht ausreichend qualifiziert ist (Bayerisches Landessozialgericht, Beschlüsse vom 01.09.2009, Az. L 2 SF 36/09 B und Az. L 2 B 1115/08 R);
  • in einem anderen Verfahren Spannungen mit einem der Prozessbevollmächtigten hatte, jedoch keine voreingenommene Haltung des Sachverständigen im hiesigen Verfahren zu Tage getreten  ist (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 07.07.2009, Az. 12 W 25/09);
  • lediglich den Vertreter eines Beigeladenen über einen von ihm durchgeführten Ortstermin informiert, weil das Gericht eine entsprechende Bitte an den Sachverständigen weitergegeben hatte (Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.04.2009, Az. 2 L 360/02);
  • einen Ortstermin durchführt, zu dem er keinen der Beteiligten lädt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2008, Az. 8 W 57/08);
  • Unterlagen unmittelbar von einem Beteiligten anfordert und dies den übrigen Beteiligten erst im schriftlichen Gutachten offen legt (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.08.2008, Az. 4 W 38/08);
  • eigene Ermittlungen anstellt und sich kritisch mit Privatgutachten auseinandersetzt (Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 30.01.2008, Az. 5 W 318/07 – 110, 5 W 318/07);
  • wie auch einer der Beteiligten nebenberufliche Lehraufträge an derselben großen Universitätsklinik wahrnimmt (OLG Oldenburg, Beschluss vom 10.01.2008, Az. 5 W 134/07).

Dieser Überblick über Entscheidungen aus dem Zeitraum 2008 bis Anfang 2010 zeigt, dass Ablehnungsanträge oft scheitern und Beteiligte häufig Befangenheit zu sehen meinen, wo die Gerichte sie nicht erkennen.

Eine häufige Fehlerquelle von Ablehnungsgesuchen scheinen Mängel in der Qualifikation oder Arbeitsweise des Sachverständigen zu sein. Solche Mängel können nicht als Voreingenommenheit gewertet werden, da sie in der Regel beide Parteien gleichermaßen treffen. Doch auch wenn sich nur eine Partei betroffen fühlt – meist, weil das Gutachten zu ihren Lasten ausgegangen ist – ist der Befangenheitsantrag nicht das richtige Mittel.

Vielmehr sollte man in diesen Fällen von den Möglichkeiten der §§ 411, 412 ZPO Gebrauch machen, d.h. Ergänzungsfragen stellen, den Sachverständigen vernehmen lassen und bei erheblichen Mängeln das Gutachten ablehnen.

Ein gescheitertes Ablehnungsgesuch kann eine etwa vorhandene Voreingenommenheit noch verstärken. Das Schwert der Ablehnung ist stumpf und schlägt oft auf den eigenen Ritter zurück. Ablehnungsgesuche sollten daher nur wohlbedacht und sparsam eingesetzt werden.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
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Rechtsberatung:

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