Erbrecht

Vergiss den Ehegatten nicht

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 2. Dezember 2019

Errichten Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, sollten sie nicht vergessen, sich gegenseitig zu Erben einzusetzen.

Immer wieder kommen in der Praxis Fälle vor, in denen die Eheleute regeln, was nach ihrer beider Tod geschehen soll, dem sogenannten Schlusserbfall.

Sie vergessen dabei, dass es meistens zu zwei Erbfällen kommt, nicht nur zu einem Erbfall:

Der erste Erbfall, auch erster Erbgang genannt, tritt auf, wenn der erste der Eheleute verstirbt. In Testamenten wird dieser Ehegatte oft als Erstversterbender bezeichnet.

In dieser Situation lebt der Ehepartner noch. Er wird in Testamenten als Überlebender, Längerlebender oder Längstlebender bezeichnet.

Der zweite Erbfall, auch Schlusserbfall oder zweiter Erbgang genannt, tritt auf, wenn der zweite der Eheleute verstirbt.

Beim ersten Erbfall wollen die Eheleute meist, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird. Beim zweiten Erbfall wollen die Eheleute oft, dass die Kinder erben.

Ein gemeinschaftliches Testament, in dem die Eheleute für den ersten Erbfall sich gegenseitig zu Erben einsetzen und für den zweiten Erbfall die Kinder, nennt man Berliner Testament.

Die gegenseitige Erbeinsetzung für den ersten Erbfall ist wichtig und sollte nicht vergessen werden. Denn sonst greift die gesetzliche Erbfolge, nach der schon im ersten Erbfall die Kinder mit erben.

In einem aktuellen Erbfall hatte das OLG München über folgendes Testament zu entscheiden:

„Wir (Ehemann) geb. am (…) und (Ehefrau) geb. am (…) wollen dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn X … bekommt.

Er muss aber unserer Tochter 35% ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte.

X bekommt die Münzen und Vaters Sachen.

Y bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck.

(Unterschriften)“

Nachdem die Ehefrau starb, beantragte der Ehemann einen Erbschein, der ausweisen sollte, dass er Alleinerbe sei.

Das Amtsgericht Augsburg als Nachlassgericht lehnte den Antrag ab. Denn in dem Testament sei nichts zum ersten Erbfall geregelt. Daher greife gesetzliche Erbfolge, nach der der Ehemann nicht Alleinerbe sei, sondern gemeinsam mit den Kindern erbt.

Der Ehemann legte Beschwerde zum OLG München ein, ohne Erfolg. Das OLG wies die Beschwerde zurück (Beschluss vom 12. November 2019 – 31 Wx 183/19):

„Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt diese Tatsache keinen ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung dar. Die gegenseitige Erbeinsetzung kann daher nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes angenommen werden (BGH a.a.O. S. 1738; Horn in: Horn/Kroiß Testamentsauslegung, 2. Auflage <2019> § 24 Rn. 62; Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 9 Rn. 17 ‚Fehlende Alleinerbeneinsetzung‘). […]

Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, eine solche Auslegung ergebe sich aus dem Wortlaut, da die Ehegatten von ‚unserem Tod’“ gesprochen haben, trägt dieser Einwand nicht. Die Formulierung kann ebenso gut zur Begründung dafür herangezogen werden, dass die Eheleute (gerade nur) den Tod des Letztversterbenden regeln wollten, denn dann wäre die Formulierung ’nach unserem Tod‘ im Sinne von ‚wenn wir beide tot sind…‘ passend für die Formulierung eines entsprechenden Willen.

Gleiches gilt für den Umstand, dass die Ehegatten von ‚unserem Haus‘ sprechen. Die Formulierung selbst ist für sich genommen wenig aussagekräftig, da es durchaus naheliegend ist, dass die Eheleute zu Lebzeiten das gemeinsam erwirtschafte Vermögen als Einheit betrachtet haben. Dass nach dem Tode des Letztversterbenden das Pronomen ‚unser‘ unzutreffend wäre, weil dann der überlebende Ehepartner Alleineigentümer geworden wäre, reicht nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht aus, um darin die Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall zu sehen.

Soweit die Beschwerde schließlich vorträgt, der überlebende Ehegatte habe das gemeinsame Haus bis zum Tode des Längerlebenden bewohnen sollen, findet sich dafür im Testament ebenfalls keine Stütze, so dass nicht entschieden werden muss, ob dies ein ausreichender Anhaltspunkt für eine entsprechende Auslegung wäre.

Dass die Abwicklung des ersten Erbfalls dadurch schwierig ist, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Es ist weder die Aufgabe der Nachlassgerichte, noch der diesen nachfolgenden Beschwerdegerichte, im Wege der Auslegung unterbliebene Verfügungen zu kreieren, um eine praktisch erscheinende Abwicklung von Erbfällen zu ermöglichen.“

Der Fall zeigt, dass es sich auch in vermeintlich einfachen Fällen lohnt, ein Testament notariell beurkunden zu lassen. Dadurch können nicht nur die Kosten des Erbscheins gespart werden, denn das notarielle Testament mit Eröffnungsniederschrift genügt in der Regel als Erbnachweis. Die Notarin oder der Notar helfen auch, dass Gewollte präzise und rechtssicher zu formulieren.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
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Rechtsberatung:

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