Strafrecht

Unberechtigt Aussage verweigert = Strafvereitelung durch Unterlassen

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 14. Dezember 2017

Das OLG Hamm hat einen Zeugen wegen Strafvereitelung durch Unterlassen verurteilt. Er hatte im Vorprozess die Aussage verweigert, ohne dazu berechtigt zu sein (Beschluss vom 9. November 2017 – 4 RVs 127/17).

Der Verurteilte hatte in einem Vorprozess ausgesagt, eine Cannabisplantage nicht mit dem dortigen Angeklagten betrieben zu haben, sondern einer dritten Person, die er nicht nennen wolle. Er habe Angst vor Repressalien gegen sich und seine Familie.

Er berief sich jedoch nicht darauf, das die Nennung des Namens ihn selbst oder seine Angehörigen in Gefahr brächte, strafrechtlich verfolgt zu werden. Nach § 55 StPO darf ein Zeuge die „Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem […] Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.“

Da der Zeuge den Namen des angeblichen Dritten nicht nannte, konnte gegen den Dritten kein Strafverfahren eingeleitet werden.

Das OLG Hamm verurteilte den Zeugen wegen Strafvereitelung durch Unterlassen. Wer Zeuge sei, sei in dieser Eigenschaft Garant für die staatliche Strafrechtspflege. Dies ergebe sich aus seiner besonderen strafprozessualen Pflichtenstellung:

„In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die unberechtigte Verweigerung des Zeugnisses zur Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen (§ 13 StGB) führen kann, weil der Zeuge in dieser Eigenschaft Garant für die staatliche Strafrechtspflege ist, was aus seiner besonderen strafprozessualen Pflichtenstellung folge (OLG Köln, Beschl. v. 11.12.2009 – 2 Ws 588/09 – juris; vgl. auch: OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.04.1998 – 3 Ss 117/98 – juris; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.01.1993 – 1 Ss 214/92 – juris; ebenso u.a. auch: Altenhain NK, 4. Aufl., § 258 Rdn. 46; Schönke/Schröder/Stree/Hecker StGB, 29. Aufl., § 258 Rdn. 17; Hoyer in SK-StGB, 8. Aufl., § 258 Rdn. 32; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rdn. 104; Klein StV 2006, 338, 339; Weidemann JA 2008, 532, 533). […]

Der Senat teilt die oben geschilderte obergerichtliche Auffassung. Für die Abwendung des Vereitelungserfolgs muss einstehen, wer von Rechts wegen dazu berufen ist, an der Strafverfolgung mitzuwirken, also in irgendeiner Weise dafür zu sorgen oder dazu beizutragen, dass Straftäter nach Maßgabe des geltenden Rechts ihrer Bestrafung oder sonstigen strafrechtlichen Maßnahmen zugeführt werden (BGH, Urt. v. 30.04.1997 – 2 StR 670/96 – juris = BGHSt 43, 82). Das ist bei einem Zeugen, der sich – wie hier – nicht auf gesetzliche Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechte oder eine Notstandssituation berufen kann, der Fall. Zwar befinden sich Zeugen nicht in einer institutionellen Stellung als Garant (wie etwa ein Staatsanwalt oder seine Hilfspersonen) und ihnen ist eine Verantwortung für die Sanktionierung von Rechtsbrechern auch nicht durch eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift übertragen. Der Zeuge ist aber gleichwohl nicht bloße Privatperson, die eine solche Garantenstellung nicht trifft (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Hecker StGB, 29. Aufl., § 258 Rdn. 17). Der Zeuge ist vielmehr einerseits verpflichtet, überhaupt eine Aussage zu machen, wenn kein gesetzlicher Weigerungsgrund vorliegt (§ 70 StPO). Darüber hinaus ist er auch verpflichtet, seine Angaben wahrheitsgemäß und vollständig auszusagen (vgl. §§ 153 ff. StGB). Die Pflicht zur (wahrheitsgemäßen) Aussage beinhaltet also in dem Fall, dass der Zeuge Belastendes bekunden kann, automatisch die Pflicht, (im Rahmen seiner Zeugenstellung) an der Sanktionierung des Angeklagten mitzuwirken (vgl. LG Ravensburg, Beschl. v. 19.11.2007 – 2 Qs 194/07 – juris). Genauso trifft den Zeugen, der Entlastendes bekunden kann, damit automatisch die Pflicht, zu der Entlastung des Angeklagten und mithin zu einer milderen Bestrafung bzw. zu dessen Straffreiheit beizutragen.“

Allerdings weist das OLG Hamm auch auf gegenteilige Ansichten in Rechtsprechung und Literatur hin, die den Zeugen nicht als Garanten sehen (LG Itzehoe, Beschl. v. 20.07.2009 – 1 Qs 27/09 – juris; Deutscher, jurisPR-StrafR 13/2010 Anm. 1; Cramer, MK-StGB, 3. Aufl., § 258 Rdn. 22; Reichling/Döring, StraFo 2011, 82, 84; Popp, JR 2014, 418).

Zeugen, die aus bestimmten Gründen Angaben nicht machen wollen, können sich von einem Rechtsanwalt als Zeugenbeistand begleiten lassen, um ihre Rechte zu prüfen und wahrzunehmen (§ 68b StPO).

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
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Rechtsberatung:

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