Wettbewerbsrecht

LG Düsseldorf: Ehefrau haftet nicht für Filesharing des Ehemanns

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 25. Juli 2013

In einem von uns erstrittenen Urteil vom 24.07.2013 hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass eine Anschlussinhaberin nicht haftet für Urheberrechtsverletzungen, die möglicherweise ihr Ehemann von dem Anschluss aus begangen hat. Es besteht kein Anscheinsbeweis, dass die Anschlussinhaberin selbst Täterin war. Es besteht auch keine Störerhaftung, da Ehepartner untereinander keine Hinweis-, Aufklärungs- und Überprüfungspflichten in Bezug auf das Urheberrecht treffen.

Hier die Entscheidung im Wortlaut:

Tenor:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 03.01.2013 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Antragstellerin ist Herstellerin und ausschließliche Rechteinhaberin hinsichtlich des streitgegenständlichen Filmwerks -C.-€œ.

lm Internet werden -€“ zumeist als „Tauschbörse“ bezeichnete -€“ Filesharing-Systeme als „Umschlagplätze“ für Daten vorgehalten, in welchen jeweils zwei Nutzer zum Zwecke des Datenaustauschs in direkten Kontakt gebracht werden, so dass der eine Nutzer Dateien des anderen Nutzers herunterladen kann. Zu den hierbei zur Anwendung gelangenden Programmen zählen unter anderem „BearShare“, „Limewire“, „Morpheus“ und „Shareaza“, die auf dem Gnutella-Protokoll basieren. Startet ein Nutzer eine Suchanfrage nach einem Musiktitel, leitet das System diese Suchanfrage an alle Rechner weiter, die zum selben Zeitpunkt online sind. Wird der Titel bei einem anderen Nutzer gefunden, kann der Dateiaustausch direkt zwischen beiden Teilnehmern erfolgen.

Die Antragstellerin lässt regelmäßig umfangreiche Ermittlungen auf Leistungsschutzrechtsverletzungen durch unautorisierte Internetangebote durchführen. Ein entsprechender Dienstleister ist die Firma l., die auch in diesem Fall ermittelte.

Sie stellte fest, dass der Film „C.“ am 28.09.2012 um 15:46:37 Uhr über die IP-Adresse „xxx.xxx.xxx.xxx“ in einer Tauschbörse durch einen Nutzer zum Download bereitgestellt wurde.

Die U. GmbH erteilte am 30.10.2012 dahingehend Auskunft, dass die streitgegenständliche IP-Adresse im betreffenden Zeitpunkt dem Internetanschluss der Antragsgegnerin zugeordnet war.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.11.2012 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin ab und forderte diese erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Mit Beschluss vom 03.01.2013, im Parteibetrieb am 15.01.2013 zugestellt, hat die Kammer der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, das urheberrechtlich geschützte Filmwerk „C.“ ohne Einwilligung der Antragstellerin im Internet öffentlich zugänglich zu machen.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Antragsgegnerin hafte als Täterin, hilfsweise als Störerin für die begangene Urheberrechtsverletzung.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 03.01.2013 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 03.01.2013 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe die ihr vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Das Filmwerk der Antragstellerin sei ihr unbekannt und sie habe keine Filesharing-Software genutzt. Ihr Internetanschluss sei zur fraglichen Zeit von ihrem Ehemann mitgenutzt worden. Anhaltspunkte dafür, dass von ihrem Internetanschluss Urheberrechtsverletzungen begangen worden sind, habe sie zum damaligen Zeitpunkt nicht gehabt.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidunqsgründe:

Die einstweilige Verfügung war aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen, da nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht länger glaubhaft, das heißt überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG gegen die Antragsgegnerin -€“ weder unter dem Gesichtspunkt der Täter- noch der Störerhaftung -€“ zusteht.

Die Antragstellerin hat zwar glaubhaft gemacht, dass der Film „C.“ am 28.09.2012 um 15:46:37 Uhr über die IP-Adresse „xxx.xxx.xxx.xxx“ in einer Tauschbörse durch einen Nutzer zum Download bereitgestellt wurde und diese IP-Adresse dem Internetanschluss der Antragsgegnerin zuzuordnen war, die Antragsgegnerin ist jedoch der ihr nach der Rechtsprechung des BGH obliegenden sekundären Darlegungslast (BGH GRUR 2010, 633 -€“ Sommer unseres Lebens) in ausreichender Weise nachgekommen.

Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGH, aaO).

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass sie die ihr vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nicht begangen hat, ihr das Filmwerk der Antragstellerin unbekannt ist und sie keine Filesharing-Software genutzt hat. Ihr lnternetanschluss sei zur fraglichen Zeit von ihrem Ehemann mitgenutzt worden. Anhaltspunkte dafür, dass von ihrem Internetanschluss Urheberrechtsverletzungen begangen worden sind, habe sie zum damaligen Zeitpunkt nicht gehabt.

Damit hat sie einen Sachverhalt vorgetragen, der -€“ die Wahrheit unterstellt -€“ eine täterschaftliche Haftung der Antragsgegnerin ausgeschlossen erscheinen lässt. Anhaltspunkte für einen der prozessualen Wahrheitspflicht zuwider laufenden Vortrag haben sich nicht ergeben. lm Rahmen der der Kammer obliegenden freien Beweiswürdigung hat dies zur Folge, dass die Grundlagen für eine etwaige anzunehmende tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin (so BGH GRUR 2010, 633 [634 Tz. 12] – Sommer unseres Lebens) erschüttert sind.

Der Antragsgegnerin oblag es nicht, ihren Vortrag glaubhaft zu machen bzw. zu beweisen.

Die Antragstellerin verkennt das Wesen der sekundären Darlegungslast, wenn sie von der Antragsgegnerin einen Beweis für ihre Darlegungen fordert und meint, ihren Vortrag im Rahmen der sekundären Darlegungslast mit der Folge, dass die Antragsgegnerin diesen beweisen müsse, bestreiten zu können. Die sekundäre Darlegungslast umfasst nicht die Pflicht des Behauptenden, diesen Sachverhalt gegebenenfalls zu beweisen (Reichold in: Thomas/Putzo, 29. Auflage 2008, vor § 284 ZPO Rn 18). Vielmehr hat ein der sekundären Darlegungslast genügender Vortrag zur Folge, dass der grundsätzlich Beweisbelastete -€“ hier die Antragstellerin -€“ seine Behauptung beweisen muss (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330 mwN).

Entsprechende Glaubhaftmachungsmittel hat die Antragstellerin nicht angeboten.

Darüber hinaus scheidet eine Haftung der Antragsgegnerin als Störerin aus. ln entsprechender Anwendung des § 1004 BGB haftet für eine Schutzrechtsverletzung derjenige als Störer, der -€“ ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein -€“ in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat.

Ein solcher Beitrag kann von der Antragsgegnerin dadurch geleistet worden sein, dass sie ihrem Ehemann den Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt hat. Allerdings setzt die Haftung desjenigen, der selbst weder Täter noch Teilnehmer der Verletzung ist, die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Andernfalls würde die Störerhaftung in nicht hinnehmbarer Weise auf Dritte erstreckt, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben.

Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenen eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.

Den lnhaber eines lnternetanschlusses, der diesen dritten Personen überlässt, trifft eine Pflicht, diese Nutzer zu instruieren und zu überwachen, nur, soweit für ihn ein konkreter Anlass für die Befürchtung besteht, die Nutzer werden den Anschluss zu Rechtsverletzungen missbrauchen. Solche Anhaltspunkte bestehen grundsätzlich nicht, solange dem Anschlussinhaber keine früheren Verletzungen dieser Art durch den Nutzer oder andere Hinweise auf eine Verletzungsabsicht bekannt sind oder hätten bekannt sein können. Ein Ehegatte kann daher seinem Ehepartner, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat, den auf seinen Namen laufenden Internetanschluss überlassen, ohne ihn ständig überwachen zu müssen. Sofern der Anschlussinhaber nicht mit einer Rechtsverletzung durch seinen Ehepartner rechnen muss, sind Hinweis-, Aufklärungs- und Überprüfungspflichten diesem gegenüber unzumutbar (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2013, 246 mwN).

lm Verhältnis der Antragsgegnerin zu ihrem Ehemann ist keine solche Verletzung zumutbarer Prüfpflichten festzustellen. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin wusste oder annehmen musste, ihr Ehemann würde über ihren Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, die sie durch zumutbare Maßnahmen verhindern konnte. Insoweit wäre es Sache der darlegungsbelasteten Antragstellerin gewesen, denjenigen Kausalverlauf schlüssig darzulegen, der eine Störerhaftung der Antragsgegnerin begründen könnte. Können nämlich schon weitergehende -€“ sekundäre -€“ Darlegungen des Anschlussinhabers als diejenige, dass Hausgenossen selbstständig auf den lnternetanschluss zugreifen können, bei der täterschaftlichen Haftung, bei der zudem eine tatsächliche Vermutung gegen den Anschlussinhaber streitet, nicht verlangt werden, kann dies erst recht nicht bei der Verteidigung gegen die lnanspruchnahme als Störer gefordert werden (OLG Frankfurt a.M., aaO). Einen derartigen Rechtsverstoß, wie den in Rede stehenden, der vor dem 28.09.2012 mithilfe des lnternetanschlusses der Antragsgegnerin begangen wurde, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: 7.000,00

(LG Düsseldorf, Urteil vom 24.07.2013, Az. 12 O 656/12)

Fazit: Wer als Anschlussinhaber eine Abmahnung für einen angeblichen Urheberrechtsverstoß erhält, den er nicht begangen hat, sollte sich dagegen zur Wehr setzen.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Abwehr einer Abmahnung.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Erbrecht
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Rechtsberatung:

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