Strafrecht | Verkehrsrecht

Identifizierung durch Zeugen unzuverlässig

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 18. Juni 2019

Eine Identifizierung eines Beschuldigten durch einen Zeugen ist ein unzuverlässiges Beweismittel. Diesen Schluss legt eine Untersuchung der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg nahe. Erwachsenen gelang nur in rund der Hälfte der Fälle eine zutreffende Identifizierung. Rund jede siebte Identifizierung traf einen Unschuldigen. Bei Kindern und Senioren waren die Ergebnisse noch schlechter: Sie identifizierten in rund 40 % der Fälle einen Unschuldigen.

Wahllichtbildvorlage oder Wahlgegenüberstellung

Nach Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten soll der Täter manchmal durch Zeugen identifiziert werden.

Wird dem Zeugen nur ein einzelnes Lichtbild des Beschuldigten vorgelegt oder der Angeklagte ohne Vergleichspersonen im Gerichtssaal präsentiert, setzt diese suggestive Vorgehensweise den Beweiswert der Antwort herab. Der BGH spricht von einem „wesentlich geringeren Beweiswert“ als bei einer Wahllichtbildvorlage (Beschluss vom 08.12.2016 – 2 StR 480/16).

Daher erfolgt grundsätzlich eine Wahllichtbildvorlage oder Wahlgegenüberstellung. Doch auch bei einer Wahllichtbildvorlage oder Wahlgegenüberstellung, die nach den Anforderungen aus § 58 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO), Nr. 18 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie den in der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben durchgeführt wird, ist auf die Identifizierung durch einen Zeugen vielfach kein Verlass.

Jeder siebte Identifizierte unschuldig

Bei im Jahr 2017 an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg unter optimierten Bedingungen durchgeführten Versuchsreihen (veröffentlicht in Kriminalistik 2018, 365 ff. und 455 ff.) stellte sich heraus, dass

  • von 115 Kindern zwischen 5-10 Jahren 45 eine falsche Person identifizierten (39,1 %),
  • von 119 Erwachsenen zwischen 18-60 Jahren 16 eine falsche Person identifizierten (13,4 %)
  • und von 108 Senioren zwischen 60-100 Jahren 47 eine falsche Person identifizierten (43,5 %).

Eine richtige Identifizierung erfolgte durch

  • 16 Kinder (13,9 %),
  • 61 Erwachsene (51,3 %) und
  • 6 Senioren (5,6 %).

Unzuverlässig trotz optimaler Wahrnehmungsbedingungen

Dabei war die Wahrnehmungssituation optimiert: Grundlage der Versuchsreihen war eine Videosequenz, bei der das Gesicht des Täters oft und gut zu erkennen war. Nach der gestellten Tat – Einschlagen eines Fahrzeugfensters mit einem Hammer und Diebstahl einer Tasche – schaut der Täter mehrfach in die einen bis vier Meter entfernte Kamera. Die Lichtverhältnisse sind hell, die Kameralinse wurde nicht geblendet, die Perspektive war hindernisfrei, es gab keine visuellen Ablenkungen im Hintergrund.

Weitere Informationen

Zu dieser Untersuchung und den Anforderungen der Rechtsprechung habe ich einen Aufsatz verfasst, der in der Neuen Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 2019, 217-223, veröffentlicht worden ist.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
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Rechtsberatung:

Beiträge und Kommentare geben die persönliche Auffassung der jeweiligen Autoren wieder, die nicht unbedingt der Auffassung der Breuer, Klingen, Goldkamp Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB oder der herrschenden Rechtsprechung entspricht. Sie dienen lediglich der Information und Diskussion, d.h. stellen keine Rechtsberatung dar und dürfen nicht als Entscheidungsgrundlage in konkreten Rechtsfällen verwendet werden.

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