Verkehrsrecht

ESO ES 3.0 unzuverlässig – AG Bottrop: Freispruch!

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 21. Februar 2013

Mit Urteil vom 06.02.2013 sprach das Amtsgericht Bottrop eine von uns vertretene Autofahrerin frei, der eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 29 km/h aufgrund einer Messung mit dem umstrittenen Einseitensensor ES 3.0 vorgeworfen worden war (Az. 29 OWi-43 Js 1796/12-803/12). Der gerichtliche Sachverständige deckte erhebliche Funktionsmängel des Messgeräts auf.

Die Stadt Bottrop hatte gegen die von uns vertretene Autofahrerin einen Bußgeldbescheid erlassen, wonach ihr vorgeworfen wurde, außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 29 km/h überschritten zu haben. Das verwendete Messgerät ESO ES 3.0 zeigte eine Geschwindigkeit von 82 km/h an, nach Toleranzabzug ergaben sich 79 km/h.

Wir legten für unsere Mandantin Einspruch ein und beantragten, eine Auskunft beim Hersteller über die genaue Funktionsweise des Geräts ESO 3.0 einzuholen. Auf die Anfrage der Stadt Bottrop antwortete die Herstellerfirma eso GmbH lapidar: „Die Firma eso GmbH hat keinem Institut oder Sachverständigen eine Software zur Verfügung gestellt, welche eine nachträgliche Überprüfung unseres Rechenalgorithmus zur Ermittlung des Geschwindigkeitsmesswertes ermöglicht. […] Der Messalgorithmus und die näheren technischen Einzelheiten der Messwertbildung sind Betriebsgeheimnisse und schutzbedürftiges know-how.“

Gleichwohl erhielt die Stadt Bottrop den Bußgeldbescheid aufrecht, so dass eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Bottrop erforderlich wurde. Zur Vorbereitung beantragten wir erneut, eine Auskunft beim Hersteller über die genaue Funktionsweise des Gerätes einzuholen.

Des weiteren beantragten wir, ein schriftliches Sachverständigengutachten einzuholen, ob die Messung ordnungsgemäß war. Denn auf einem Messfoto war ein dem Fahrzeug vorauseilender Schatten zu erkennen, durch die die Messung hätte beeinflusst worden sein können. Diesem Antrag gab das Amtsgericht statt.

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. Thomas Sterneck von der DEKRA in Münster untersuchte die Messung akribisch und legte vor der Hauptverhandlung ein 36-seitiges Gutachten nebst Fotos vor.

Er stellte fest, dass der vom Messgerät gemessene Seitenabstand zwischen Sensorkopf und Fahrzeug sich nicht innerhalb des zulässigen Toleranzbereichs mit dem sich aus dem Messfoto ergebenden Seitenabstand des Fahrzeugs unserer Mandantin vereinbaren ließ.

Des weiteren entdeckte er bei Kontrolle der Messserie auch auffällige Abweichungen bei der Fotoposition anderer gemessener Fahrzeuge. Die Fahrzeuge waren teilweise nicht mit Front in Höhe der Fotolinie abgebildet, teilweise ließ sich der vom Messgerät gemessene Seitenabstand nicht mit dem sich aus der Fotoauswertung ergebenden Seitenabstand vereinbaren.

Eine mögliche Erklärung sah der Sachverständige darin, dass der Messsensor Richtung Osten ausgerichtet war und von der Einstrahlung der zum Zeitpunkt der Messung aufgehenden Sonne beeinflusst worden sein könnte. Es sei allgemein bekannt, dass Lichtsensoren durch Sonneneinstrahlung überblendet und damit in ihrer Funktion beeinträchtigt werden könnten. Er sei verwundert, dass sich diesbezüglich kein Warnhinweis in der Bedienungsanleitung des ES 3.0 findet.

Unsere Mandantin wurde, wie von uns gefordert, freigesprochen.

Wir sehen uns durch das Urteil in unseren Bedenken gegen die Messmethode, deren genaue Funktionsweise vom Hersteller geheim gehalten wird, bestärkt. Es zeigt sich, dass Bedienungsanleitung und Zulassung des Geräts durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt keine ausreichende Grundlage bilden, die Richtigkeit der Messung zu unterstellen. Insbesondere ist mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung und den Grundrechten auf faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz nicht zu vereinbaren, die Prüfung durch das Gericht, den Betroffenen und seinen Verteidiger abzuschneiden mit Verweis auf die Einschätzung einer Behörde (siehe: Gericht verurteilt Blitzerpraxis).

Zurück bleiben konkrete Bedenken, ob das Messgerät bei Einhaltung der Bedienungsanleitung korrekte Messergebnisse zuverlässig gewährleistet. Wir empfehlen Betroffenen, sich im Zweifel gegen Messungen mit dem Gerät ESO ES 3.0 zu wehren und gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen.

Soweit eine Rechtsschutzversicherung mit Verkehrsrechtsschutz besteht, werden von dieser Verfahrenskosten, einschließlich der Anwaltskosten und Kosten einer Überprüfung der Messung durch einen Sachverständigen, in der Regel übernommen.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
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Rechtsberatung:

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