Erbrecht

Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 23. September 2016

Pflichtteilsberechtigte können verlangen, dass der Erbe ein von einem Notar ermitteltes und erstelltes Verzeichnis über den Nachlassbestand vorlegt. In der Praxis beurkunden Notare immer wieder Verzeichnisse, die den Anforderungen der Rechtsprechung nicht genügen.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28. Januar 2011 – 5 W 312/10: Das notarielle Nachlassverzeichnis muss erkennen lassen, dass der Notar den Nachlass selbst ermittelt hat und für den Inhalt des Verzeichnisses die Verantwortung übernimmt. Der Notar darf sich nicht auf die Wiedergabe von Erklärungen des Erben beschränken.

OLG Koblenz, Beschluss vom 18. März 2014 – 2 W 495/13: Der Notar soll als neutrale Amtsperson durch eigene Ermittlungen eine Gewähr bieten, dass das Verzeichnis möglichst gewissenhaft erstellt wird. Es genügt nicht, dass der Notar durch seine Unterschrift für ein nicht von ihm selbst ermitteltes Nachlassverzeichnis Verantwortung übernimmt, da diese Verantwortung weitgehend theoretischer Natur bliebe. Als Ermittlungstätigkeiten des Notars können z.B. angezeigt sein: eigene Ermittlung von Grundbesitz, Veranlassung der Einholung von Bewertungsgutachten durch den Erben, Überprüfung eingeholter Wertgutachten auf Plausibilität, Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen 10-Jahres-Zeitraum, Einholung einer Vollmacht des Erben, bei Banken, die in der Nähe des letzten Wohnortes des Erblassers eine Zweigstelle unterhalten, anzufragen, ob im genannten 10-Jahres-Zeitraum eine Kundenverbindung zum Erblasser bestanden habe, nebst entsprechender Anfrage, Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen könnten.

OLG Bamberg, Beschluss vom 16. Juni 2016 – 4 W 42/16: Das Nachlassverzeichnis muss auf eigenen Ermittlungen des Notars beruhen, nicht bloßer Übernahme von Angaben der Erben. Der Notar muss Angaben der Erben einer kritischen Plausibilitätskontrolle unterziehen und dies dokumentieren. Er muss sich daraus ergebenden Anhaltspunkten nachgehen. Er muss den Zweifeln nachgehen und die Nachforschungen anstellen, die sich aus der objektiven Sicht eines den Pflichtteilsberechtigten sachkundig beratenden Dritten aufdrängen würden. Er muss nötigenfalls zeitintensiven Prüfungs- bzw. Ermittlungsaufwand in Kauf nehmen.

Diese Grundsätze hat auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2016 aufgenommen – 1 BvR 2423/14:

„Das notarielle Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis, welches der auskunftsverpflichtete Erbe erstellt hat. Dazu ist es erforderlich, dass es von der Amtsperson selbst erstellt wird und diese nicht lediglich die Erläuterungen des Erben protokolliert und beurkundet. Der Notar ist dabei regelmäßig auch zur selbständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen berechtigt und verpflichtet, er muss zudem durch eine Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, für den Inhalt verantwortlich zu sein (stRspr.; vgl. nur Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25. Januar 2011 – 3 U 36/10 –, juris, Rn.15 m.w.N.). Ein Verzeichnis, das sich inhaltlich lediglich auf die dem Notar seitens des Erben vorgelegte Auflistung beschränkt und nicht eine eigenständige Feststellung des Notars dazu enthält, dass weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden und weitere Verbindlichkeiten nicht festzustellen seien, erfüllt daher die Anforderungen nicht (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 26. April 2010 – 5 W 81/10 – u.a., juris, Rn. 13f.). Hier hätte es hinsichtlich der etwaigen Schenkungen insbesondere nahe gelegen, Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge und sonstigen Bankunterlagen für den Zehn-Jahres-Zeitraum zu nehmen oder eine Vollmacht des Auskunftsverpflichteten zur entsprechenden Anfrage bei der Bank einzuholen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18. März 2014 – 2 W 495/13 –, juris, Rn. 21-28).“

Der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Anspruch nötigenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung durch Verhängung von Zwangsgeldern gegen den Erben durchsetzen.

Der Notar kann dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten auf Schadensersatz haften, wenn er ein unzureichendes Verzeichnis erstellt.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
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Rechtsberatung:

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