Neues Urteil des BGH zur Berücksichtigung des Vorteils des mietfreien Wohnens (sog. Wohnvorteil) beim Unterhalt
Rechtsanwalt Volker Stadtfeld am 10. April 2008Mit Urteil vom 05.03.2008 hat sich der BGH mit dem Wohnvorteil beim Trennungsunterhalt und der Berücksichtigung der Tilgungsleistungen beim Unterhalt befasst (Az: XII ZR 22/06). Der BGH hat entschieden, dass der volle Mietwert auch bereits beim Trennungsunterhalt berücksichtigt werden muss, wenn die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartete werden kann, z.B. weil bereits das Scheidungsverfahren rechtshängig ist oder die Eheleute die vermögensrechtlichen Folgen der Ehe abschließend geregelt haben. Weiter hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Tilgungsleistungen auf den Kredit, mit dem die Immobilie erworben wurde, dann nicht mehr einkommensmindernd berücksichtigt werden können, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht mehr an dieser Vermögensbildung teilnimmt, also nach Zustellung des Scheidungsantrags oder nach Vereinbarung der Gütertrennung. Eine Ausnahme dazu besteht aber im Rahmen einer zusätzlichen Altersvorsorge.
Nach der bisherigen Rechtsprechung wurde bei der Unterhaltsberechnung der Vorteil des mietfreien Wohnens während der Trennungszeit, also bis zur Rechtskraft der Scheidung, lediglich in Höhe des angemessenen Wohnvorteils berücksichtigt. Dieser Wert wurde daraus ermittelt, was eine entsprechend kleinere Wohnung an Miete kosten würde. Im Gegensatz dazu wurde nach Rechtskraft der Scheidung der objektive Wohnwert berücksichtigt, der sich nach der tatsächlich zu erzielenden Miete für die Wohnung oder das Haus richtet. Nachdem dieser Grundsatz bereits mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 aufgeweicht wurde, hat der BGH nun neue Grundsätze aufgestellt.
Die Unterscheidung zwischen angemessenem und objektiven Wohnwert bleibt auch nach dem neuen Urteil des BGH wichtig. Allerdings wird der geringere angemessene Wohnvorteil jetzt nur noch bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens angerechnet, oder eben bis zu dem Zeitpunkt, an dem die getrenntlebenden Ehegatten alle vermögensrechtlichen Fragen abschließend geklärt haben. Nach dem Wortlaut des Urteils können aber auch andere Aspekte, die eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft unwahrscheinlich machen, zur Anwendung des obektiven Wohnwertes führen. Ob dazu z.B. eine neue Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner ausreicht, werden die zukünftigen Entscheidungen der Familiengerichte zeigen.
Diese Rechtsprechung wird zukünftig Verzögerungen des Scheidungsverfahrens verhindern, die leidglich deshalb erfolgten, um länger den geringeren Wohnvorteil auszukosten, der auf Seiten des Unterhaltsberechtigten zu einem höheren Barunterhalt führen konnte.
Weiter entsprach es der bisherigen Rechtsprechung, dass Kreditraten für die Wohnung während der Trennungszeit vollständig beim Unterhalt berücksichtigt wurden, nach der Scheidung allerdings nur noch die Zinsen und nicht die Tilgung. Hintergrund ist, dass die Tilgungsleistungen wirtschaftlich betrachtet Vermögensbildung bedeuten, die im Prinzip nicht zu Lasten der Unterhaltsberechtigten erfolgen soll.
Diesen Grundsatz hat der BGH nun präziser gestaltet. Die Tilgungsraten werden demnach unterhaltsmildernd nur noch dann berücksichtigt, wenn der Unterhaltsberechtigte durch die Möglichkeit des Zugewinnausgleichs an dieser Vermögensbildung teilnehmen kann.
Im umgekehrten Fall, in dem der Unterhaltsberechtigte in einer eigenen Wohnung wohnt, kann dann aber auch nichts anderes gelten. Nach Einleitung des Scheidungsverfahrens oder der Vereinbarung von Gütertrennung darf der Tilgungsteil nicht mehr unterhaltserhöhend berücksichtigt werden, da ansonsten der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Hilfe des Unterhalts Vermögen bilden würde. Auch dies soll aber nicht statfinden.
Die Frage der Berücksichtigung der Tilgungsleistung kann nur dann relevant werden, wenn die finanzierte Immobilie im Alleineigentum eines Ehegatten steht oder übergegangen ist. Sind beide Gatten Eigentümer, muss nach den Grundsätzen des BGH auch die Tilgung berücksichtigt werden, da schließlich bei beiden dadurch Vermögen gebildet wird.
In der angegebenen Entscheidung hat der BGH nochmals betont, dass der unterhaltsverpflichtete Ehegatte zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung Altersvorsorge betreiben darf. Dabei handelt es sich naturgemäß auch um Vermögensbildung. Berücksichtigt werden kann zusätzliche Altersvorsorge in Höhe von 4 % des Bruttoenkommens. In dieser Höhe können beim Unterhaltsverpflichteten Tilgungsleistung auf den Kredit für die Wohnung anerkannt werden, wenn er keine sonstige zusätzliche Altersvorsorge betreibt, z.B. durch eine Kapitallebensversicherung oder sonstige Sparformen.
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