Strafrecht

Verhafteter Porsche-Manager: Es gibt keine Justizbehinderung

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 13. Mai 2018

Das deutsche Strafrecht kennt keinen der US-amerikanischen „Obstruction of justice“ entsprechenden Tatbestand. Der deutsche Tatbestand der Strafvereitelung nach § 258 Strafgesetzbuch greift nur ein, wenn der Täter wissentlich vereitelt, dass ein anderer bestraft wird.

Laptop vor Durchsuchung „sichern“

Nach Medienberichten befindet sich ein Porsche-Manager in Untersuchungshaft. Es handele sich um den Leiter einer Task Force, die nach Bekanntwerden des Dieselskandals im Herbst 2015 die Abgas-Manipulationen bei Audi in Ingolstadt untersuchen sollte. Er habe während einer Durchsuchung im April einen Assistenten telefonisch gebeten, einen Laptop an sich zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft habe das Telefonat mitgehört. Sie werfe ihm vor, „die Aufklärung blockiert“ zu haben. Aus Konzernkreisen heiße es hingegen, der Manager habe den Laptop „sichern“ wollen, um seine täglichen Aufgaben weiter erledigen zu können. Der Manager befinde sich wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr seitdem in Untersuchungshaft – also offenbar seit mehreren Wochen.

Strafvereitelung?

Allein die Tatsache, dass sich die Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungen behindert sieht, begründet keinen Verdacht einer Strafvereitelung.

Die Staatsanwaltschaft müsste konkrete Anhaltspunkte vorweisen, dass der Manager wusste oder für sicher hielt, durch Beiseiteschaffen des Laptops zu verhindern, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Straftat bestraft wird.

Der Manager müsste also in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass sich auf dem Laptop belastende Daten oder Spuren befinden. Ein Anhaltspunkt dafür kann sein, wenn nach Untersuchung des Laptops solche Daten oder Spuren festgestellt werden. Dann könnte eine Einlassung, der Laptop habe nur vor Beschlagnahme geschützt werden sollen, um ihn weiter verwenden zu können, als widerlegt angesehen werden.

Beschleunigungsgebot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Lässt sich hingegen kein belastendes Material finden, könnte die Einlassung unwiderlegt bleiben und der Manager freizulassen sein. Wegen des Beschleunigungsgebots, das besonders in Haftsachen gilt, wird die Staatsanwaltschaft mit Hochdruck an dem Laptop arbeiten.

Ist nicht zeitnah klärbar, welche Daten darauf gespeichert sind – etwa weil die Daten verschlüsselt sind oder die Ermittlungsbehörden mangels Personal zu keiner zügigen Auswertung in der Lage sind – kann der Haftbefehl aufzuheben sein, weil die Untersuchungshaft aufgrund ihrer Dauer unverhältnismäßig wird.

Manchmal versuchen Ermittler, durch die Untersuchungshaft Druck zu erzeugen, dass der Inhaftierte den Ermittlern hilft, zu einer Verurteilung zu kommen („U-Haft schafft Rechtskraft“). Das ist rechtswidrig, dazu ist die Untersuchungshaft nicht da. Und die Staatsanwaltschaft hat „nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“ (§ 160 Absatz 2 Strafprozessordnung).

Keine Strafvereitelung in eigener Sache

Will der Betroffene durch die Vereitelungshandlung verhindern, dass er selbst bestraft wird, macht er sich nicht wegen Strafvereitelung strafbar.

In Absatz 5 des § 258 Strafgesetzbuch heißt es: „Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.“

Diese Regelung folgt aus dem im deutschen Strafrecht geltenden Prinzip Nemo tenetur se ipsum accusare – niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen. Das Nemo-tenetur-Prinzip bedeutet, dass Verdächtige nicht verpflichtet sind, an den gegen sie gerichteten Ermittlungen mitzuwirken.

Wenn also der Porsche-Manager annahm, persönlich ins Visier zu geraten, wenn der Laptop ausgewertet wird, war die Anweisung an seinen Assistenten, den Laptop an sich zu nehmen, nicht strafbar.

Niemand ist verpflichtet, an eigener Verurteilung mitzuwirken

Sollte der Manager sich weigern, an der Aufklärung mitzuwirken, kann ihm das nicht angelastet werden. Wegen des Nemo-tenetur-Prinzips ist der Manager zu keiner Mitwirkung verpflichtet. Er darf auch ein Verschlüsselungspasswort für sich behalten.

Nach deutschem Recht ist es grundsätzlich nicht verboten, einen Laptop zu verstecken oder zu verschlüsseln. Es besteht auch keine Verpflichtung, mit Strafverfolgungsbehörden zu „kooperieren“.

Rechtsanwalt Tobias Goldkamp
Fachanwalt für Erbrecht
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