Haftungsausschluss für Fracht
Rechtsanwalt Tobias Goldkamp am 8. Februar 2016Der Spediteur haftet nicht für Schäden an der Fracht, wenn sie auf die vereinbarte Art des Transportes zurück geführt werden können.
Dazu regelt § 427 HGB besondere Haftungsausschlussgründe:
(1) Der Frachtführer ist von seiner Haftung befreit, soweit der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist auf eine der folgenden Gefahren zurückzuführen ist:
1. vereinbarte oder der Übung entsprechende Verwendung von offenen, nicht mit Planen gedeckten Fahrzeugen oder Verladung auf Deck;
2. ungenügende Verpackung durch den Absender;
3. Behandeln, Verladen oder Entladen des Gutes durch den Absender oder den Empfänger;
4. natürliche Beschaffenheit des Gutes, die besonders leicht zu Schäden, insbesondere durch Bruch, Rost, inneren Verderb, Austrocknen, Auslaufen, normalen Schwund, führt;
5. ungenügende Kennzeichnung der Frachtstücke durch den Absender;
6. Beförderung lebender Tiere.
(2) Ist ein Schaden eingetreten, der nach den Umständen des Falles aus einer der in Absatz 1 bezeichneten Gefahren entstehen konnte, so wird vermutet, daß der Schaden aus dieser Gefahr entstanden ist. Diese Vermutung gilt im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 nicht bei außergewöhnlich großem Verlust.
(3) Der Frachtführer kann sich auf Absatz 1 Nr. 1 nur berufen, soweit der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist nicht darauf zurückzuführen ist, daß der Frachtführer besondere Weisungen des Absenders im Hinblick auf die Beförderung des Gutes nicht beachtet hat.
(4) Ist der Frachtführer nach dem Frachtvertrag verpflichtet, das Gut gegen die Einwirkung von Hitze, Kälte, Temperaturschwankungen, Luftfeuchtigkeit, Erschütterungen oder ähnlichen Einflüssen besonders zu schützen, so kann er sich auf Absatz 1 Nr. 4 nur berufen, wenn er alle ihm nach den Umständen obliegenden Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Auswahl, Instandhaltung und Verwendung besonderer Einrichtungen, getroffen und besondere Weisungen beachtet hat.
(5) Der Frachtführer kann sich auf Absatz 1 Nr. 6 nur berufen, wenn er alle ihm nach den Umständen obliegenden Maßnahmen getroffen und besondere Weisungen beachtet hat.
Das OLG Düsseldorf entschied dazu mit Urteil vom 04.11.2015 – I-18 U 185/14:
1. Die Beklagte ist gemäß § 427 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 HGB von ihrer Haftung befreit, weil vermutet wird, dass die auf Wasserkontakt beruhende Beschädigung der transportierten Maschine auf die Gefahr durch die vereinbarte Verwendung eines offenen, nicht mit Planen gedeckten Fahrzeugs zurückzuführen ist. Zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten war der Transport der Maschine mit einem offenen Tieflader mit einer Überwurfplane vereinbart. Diese Plane deckte nur die Maschine, nicht aber die gesamte Ladefläche ab. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dieser Zustand der Vereinbarung widersprach. Die Anwendung der hiernach grundsätzlich einschlägigen Vorschrift des § 427 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist entgegen der Meinung der Klägerin nicht deshalb ausgeschlossen, weil jedenfalls die Maschine als Ladung mit einer Plane abgedeckt war. Ein solches Verständnis ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar, der auf die Abdeckung des Fahrzeugs abstellt. Ein Fahrzeug ist entsprechend dem Wortlaut dann offen und nicht mit Planen gedeckt, wenn die Ladefläche nicht vollständig umschlossen ist (Koller, in: ders., Transportrecht, 8. Aufl., § 427 HGB Rn. 3; Schaffert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 427 Rn. 4; Heymann, HGB, 2. Aufl., § 427 Rn. 3). An einer solchen vollständigen Abgeschlossenheit der Ladefläche fehlte es hier. Der eingesetzten Plane kam nur die Funktion einer Verpackung für die später beschädigte Maschine zu, die nicht alle Risiken für das Gut in gleicher Weise vermindert wie eine Abdeckung der gesamten Ladefläche (vgl. Schaffert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 427 Rn. 4). Eine solche vollständige Abdeckung hatte die Beklagte der Versicherungsnehmerin der Klägerin in Form eines geschlossenen Tiefladers ebenfalls angeboten. Für diese Transportart, die deutlich teurer gewesen wäre, hat sich die Versicherungsnehmerin der Klägerin aber nicht entschieden. Stattdessen hat sie den günstigeren Transport mit offenem Tieflader gewählt.
Die nach allem eingreifende Ursachenvermutung des § 427 Abs. 2 Satz 1 HGB – nach den Umständen des Falles kann der Schaden hier daraus entstanden sein, dass nur die Maschine und nicht die gesamte Ladefläche abgedeckt war – hat die Klägerin nicht widerlegt. Warum es zu einem Einreißen der Plane während des Transports bei Regenwetter gekommen ist, konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nicht geklärt werden.
Dafür, dass sich die Beklagte auf den Haftungsausschlussgrund des § 427 Abs. 1 Nr. 1 HGB gemäß § 427 Abs. 3 HGB nicht berufen könnte, ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
2. Zugunsten der Beklagten greift daneben auch der Haftungsausschlussgrund des § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB ein. Danach ist die Haftung in Fällen einer ungenügenden Verpackung durch den Absender ausgeschlossen. Verpackung im Sinne von § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist eine prinzipiell jederzeit lösbare Umhüllung des Gutes (Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 427 Rn. 2). Verpackung der Maschine in diesem Sinne waren damit sowohl zur Umhüllung verwendete Kartonagen als auch die Überwurfplane (vgl. Schaffert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 427 Rn. 4). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten keine von § 411 Abs. 1 Satz 1 HGB abweichende Vereinbarung der Verpackungspflicht getroffen worden ist (anders insoweit der Fall des OLG München, Urt. v. 15.03.2006 – 7 U 1504/06, Juris). Verpackungspflichtig war damit die Versicherungsnehmerin der Klägerin. Sie war Absenderin im Sinne von § 411 Abs. 1 Satz 1 HGB.
Zwar hat die Zeugin R … als Fahrerin der von der Beklagten mit der Transportdurchführung beauftragten Subunternehmerin mit der Überwurfplane Verpackungsmaterial zur Verfügung gestellt. Die Maschine ist aber von Mitarbeitern der Versicherungsnehmerin der Klägerin verpackt worden. Damit handelt es sich um einen Fall der Verpackung durch den Absender im Sinne des § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB.
Die Verpackung war im Streitfall nach dem Vortrag der Parteien auch in jedem Fall ungenügend im Sinne von § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Entweder, weil die Plane, wie die Klägerin behauptet und sich die Beklagte hilfsweise zu Eigen gemacht hat, von vornherein völlig ungeeignet war, oder weil, wie die Beklagte behauptet hat, die Abdeckung scharfkantiger Teile der Maschine unzureichend war und es deshalb zu einem Einreißen der Plane gekommen ist. Andere als die im Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgeführten Schadensursachen einer – so oder so – mangelhaften Verpackung sind von den Parteien erstinstanzlich nicht behauptet worden. Soweit die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 07.10.2015 erstmals weitere mögliche Schadensursachen benennt, so eine falsche Verzurrung und die nicht abdeckbare Beiladung, kann dieser neue Vortrag am Ende der Berufungsinstanz keine Berücksichtigung mehr finden, nachdem die Klägerin erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 07.04.2014 andere Schadensursachen als eine mangelhafte Überwurfplane sogar mit Nichtwissen bestritten hat (vgl. Bl. 55 GA).
Die damit nach Vorliegen der Voraussetzungen des § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB eingreifende Ursächlichkeitsvermutung der ungenügenden Verpackung für den Schaden gemäß § 427 Abs. 2 Satz 1 HGB hat die Klägerin nicht widerlegt.
3. Den – ihr obliegenden (vgl. Koller, in: ders., Transportrecht, 8. Aufl., § 427 HGB Rn. 41 i.V.m. Rn. 16 u. 12) – Beweis mitwirkender Verursachung der Beklagten als Frachtführerin bzw. der von dieser eingeschalteten Leute gemäß § 428 HGB hat die Klägerin ebenfalls nicht geführt. Beruhte das Einreißen der Plane auf nicht abgeklebten scharfkantigen Teilen der Maschine, so trifft die Beklagte mangels Verpackungspflicht hierfür keinerlei Verantwortung. Aber auch dann, wenn das Einreißen auf einer unzureichenden Beschaffenheit der Plane beruht haben sollte, was nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht feststeht, gilt nichts anderes. Nach dem Vortrag der Klägerin, den sich die Beklagte hilfsweise zu Eigen gemacht hat, war erkennbar, dass die gelieferte Plane zu dünn war. Die verpackungspflichtigen Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin der Klägerin, die den ungenügenden Zustand der Plane nach dem Vortrag der Klägerin erkannt haben wollen, haben aber nichts dagegen unternommen, sondern den Transport, ohne sich um Weiteres zu kümmern, einfach losgeschickt. Dies führt bei der Prüfung mitwirkender Verursachung, bei welcher der Rechtsgedanke des § 254 BGB heranzuziehen ist (vgl. Koller, in: ders., Transportrecht, 8. Aufl., § 427 HGB Rn. 12), zu dem Ergebnis, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin für den Schaden alleine einzustehen hat.
Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Beklagte nach der vertraglichen Vereinbarung die Überwurfplane besorgen sollte. Das Mitverschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin ist dann immer noch derart gravierend, dass es gerechtfertigt ist, die etwaige Pflichtverletzung der Beklagten, eine ungeeignete Plane zur Verfügung gestellt zu haben, dahinter vollständig zurücktreten zu lassen. Angesichts der sich preislich stark unterscheidenden Transportalternativen durfte die Versicherungsnehmerin der Klägerin keinesfalls davon ausgehen, dass die gewählte kostengünstige 2. Transportvariante mit offenem Tieflader und Überwurfplane im Hinblick auf den Schutz des Sendungsguts der 1. Transportvariante mit geschlossenem Tieflader gleichwertig war. Die verpackungspflichtige Versicherungsnehmerin der Klägerin hatte deshalb allen Anlass, die Eignung der von der Beklagten bzw. ihrer Subunternehmerin gelieferten Plane genauestens auf die von ihr, der Absenderin, gewünschte Verwendungseignung hin zu untersuchen. Zutreffend weist die Beklagte insoweit darauf hin, dass die Einschätzung der Empfindlichkeit des Sendungsgutes primär der Versicherungsnehmerin der Klägerin oblag, welche die Beschaffenheit der Maschine und die daraus resultierenden Transportrisiken am besten kannte.
4. Der nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 07.10.2015 gibt weder für eine andere rechtliche Beurteilung noch die beantragte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung Anlass. Soweit die Klägerin nunmehr erstmals einen Sachverhalt vorträgt, der auf einen selbstständigen Beratungsvertrag zwischen ihrer Versicherungsnehmerin und der Beklagten hinsichtlich der Verwendungseignung einer Überwurfplane für den streitgegenständlichen Transport schließen lassen könnte, ergibt sich daraus nichts zugunsten der Klägerin. Die Klägerin trägt im nachgelassenen Schriftsatz nämlich zugleich vor, dass eine Überwurfplane für den Schutz der streitgegenständlichen Maschine vor Verschmutzung und Feuchtigkeit grundsätzlich ausreichend sei. Dann kann die Versicherungsnehmerin der Klägerin aber von der Beklagten nicht fehlerhaft beraten worden sein. Soweit – wie schon bisher vorgetragen – lediglich die später konkret zur Verfügung gestellte Überwurfplane den erwarteten Anforderungen nicht entsprach, gilt das bereits Ausgeführte.
§ 427 HGB ist damit für Transportunternehmer eine wichtige Hilfe, um Schadensersatzansprüche abzuwehren.
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